Ehe für Alle?

von Johannes Justus

SIEBEN WORTE VERÄNDERN DEN EHEBEGRIFF

Das Gesetzt für die „Ehe für Alle“ hat nun seine letzte formale Hürde genommen, indem es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde[1]. Damit tritt es zum 01. Oktober 2017 in Kraft. Künftig heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1353: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebzeiten geschlossen.“ Es sind die folgenden sieben Wörter, welche dem Ehebegriff nach Inkrafttreten des Gesetzes eine neue Bedeutung geben: „von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts.“

 

Was soll sich ändern?

Zwei Dinge sind es, die nach meiner Auffassung bei der Änderung wesentlich sind. Durch die Uminterpretation des Begriffes Ehe wurde hier mittels des Werkzeugs Sprache ein neues Bewusstsein von der Ehe geschaffen. Die zweite wesentliche Veränderung ist die Möglichkeit zur Adoption von Kindern, welche bisher für eingetragene Lebenspartner nicht möglich war.

 

Warum kommt die Veränderung?

Im entsprechenden Gesetzentwurf[2] des Bundesrats heißt es diesbezüglich: „Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten.“

 

Auswirkung auf Kirchen und religiöse Gemeinschaften

„Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neuregelung unberührt.[3] So heißt es weiter im o. g. Gesetzentwurf. Damit hat die Gesetzesänderung zunächst keine rechtlichen Konsequenzen für Kirchen und religiöse Gemeinschaften. Jedoch driften durch diese Maßnahme das staatliche und das christlichen Konzept der Ehe immer weiter auseinander.

 

WIE KÖNNEN WIR DIESE VERÄNDERUNGEN EINORDNEN UND DARAUS ENTSCHLÜSSE ZIEHEN?

 

Wandel meiner Werte und Prinzipien

„Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“

1. Johannes 2, 17

Beginnen wir doch mit der bereits zur Sprache gebrachten Begründung für die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels habe sich auch das Eheverständnis verändert. Genau an dieser Stelle beginnt unsere Reaktion und die damit verbundene Einordnung der Geschehnisse. Jeder von uns hat Werte, nach denen er sein Leben gestaltet und die Ereignisse um ihn herum bewertet. Es ist unbestreitbar, dass wir alle vom Wandel unserer persönlichen Überzeugungen betroffen sind. Das, was für mich gestern noch so wesentlich war, kann bereits heute in einem neuen Licht erscheinen. Meine Weltanschauung ist geprägt, beispielsweise durch meine Generation, die Gesellschaft, meine Herkunft, meine Familie und deshalb sehe ich die Welt durch diese Brille. Diesbezüglich wird Elvis Presley das folgende Zitat zugeordnet: „Werte sind wie Fingerabdrücke. Keiner hat die dieselben, aber Du hinterlässt sie bei allem, was du tust.“ Andererseits mache ich neue Erfahrungen und durchlaufe besondere Lebensumstände. Beides, sowohl meine vergangene Prägung, als auch meine fortschreitende Lebenserfahrung, hat Einfluss auf meine Werte und Prinzipien. Deshalb frage ich mich, ob ich die für viele von uns bekannte Aussage: „Nichts ist so beständig, wie der Wandel“ auch auf meine Werte und Prinzipien übertragen kann?

 

Konstanz von Werten und Prinzipen

Unweigerlich stoßen wir mit den gerade geäußerten Gedanken auf die Frage: „Gibt es konstante Werte und Prinzipien, die dem Wandel der Zeit und dem damit verbundenen Wandel der Gesellschaft nicht ausgesetzt sind? Gibt es eine feste Konstante, nach der wir unsere Prinzipien ausrichten können?“ Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Ja, die gibt es! Diese Prinzipien – so auch die Prinzipien für die Ehe – sind im Wort Gottes verankert (vgl. Jes 40, 8). Und damit kommen wir nun zum Angelpunkt unserer Diskussion. Jeder Wert und jedes Prinzip haben einen Kern, auf dem sie basieren. Es gibt eine Quelle, der sie entspringen. Deshalb ist das Wissen um den Ursprung meiner Prinzipien von grundlegender Bedeutung.

 

Glaubensgrundsatz: Schöpfungsgeschichte

Der Wandel von Werten und Prinzipien findet seinen Ursprung in der Evolutionstheorie. Diese besagt, dass der Mensch sich beständig weiterentwickelt, genauso, wie er sich zum Menschen hin entwickelt hat. Aus diesem Grund kann es für ihn keine festen, zeitlosen Prinzipien geben. Konsequenterweise muss die Werteskala von Menschen, die nach diesem Grundsatz leben, flexibel sein. Glaube ich jedoch an einen Schöpfergott, der den Menschen als Mann und Frau mit einem bestimmten Ziel geschaffen hat, führt mich das unweigerlich zu der Suche nach diesem Ziel und den damit verbundenen Prinzipien. Bei der Schöpfung des Menschen hat Gott der Ehe einen besonderen Wert beigemessen. Der mit diesem Wert verbundene Auftrag fordert die Menschen dazu auf, sowohl bestehendes Leben zu schützen, als auch neues Leben willkommen zu heißen. Auch auf diese Weise legt Gott seine Ebenbildlichkeit in den Menschen hinein, indem er ihn in den Schöpfungsprozess mit hineinnimmt, bei dem durch die Verbindung von Mann und Frau neues Leben entsteht.

 

Konstitution der Ehe bereits bei der Schöpfung

„Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch.“

1. Mose 2, 24

Bereits bei der Schöpfung des Menschen zeigt Gott den Weg zur Ehe auf. Die Ehe wird demnach dadurch konstituiert, dass ein Mann und eine Frau ihre Eltern und damit die bisherige Familie verlassen, eine rechtliche, dauerhafte Verbindung eingehen und diese unter anderem durch ihre sexuelle Gemeinschaft zum Ausdruck bringen.

 

Bestätigung des ursprünglichen Eheverständnisses durch Jesus und Paulus

In einem Zwiegespräch mit den Pharisäern bestätigt Jesus das anfängliche Eheverständnis, indem er den gerade zitierten Wortlaut aus dem ersten Buch Mose wiedergibt (Matthäus 19, 1-12). Damit nimmt Jesus Bezug auf die ursprüngliche Ordnung Gottes, die für ihn trotz der zwischenzeitlichen Veränderungen, beispielsweise durch das Scheidebriefrecht, immer noch Gültigkeit hat. Im fünften Kapitel seines Briefes an die Epheser geht Apostel Paulus noch einen Schritt weiter und deutet das Eheverständnis auf die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde, wobei er sich ebenfalls, wie Jesus auf 1. Mose 2, 24 beruft. Dieser deutlich erkennbare rote Faden spannt sich wie eine Richtschnur vom Anfang bis zum Ende der Bibel und gibt uns auf diese Weise eine wichtige Orientierungsgrundlage für das Eheverständnis.

 

Mit der Bibel in der Hand

Ausgehend vom weiter oben erwähnten Glaubensgrundsatz (Schöpfungsgeschichte vs. Evolutionstheorie), kann ich in der Bibel nach Stellen suchen und diese so in Form bringen, dass sie meine Meinung bestätigen. Diese Vorgehensweise ist nichts Neues. Aus persönlicher Erfahrung kann ich berichten, wie eine Ideologie ihre Werte und Standpunkte mit der Bibel in der Hand als Göttliche Ordnung proklamiert hat. So nahm das kommunistische Denken gerne Bezug auf Apostelgeschichte 2, 44 und 4, 23, um auf diesem Weg den gemeinsamen Besitz von Gütern dem biblischen Wertesystem zuzuordnen. Folglich bescheinigte man dem Kommunismus gerne einen biblischen Ursprung. Geht man jedoch einen Schritt weiter, dann wird schnell deutlich, dass der Kommunismus nicht Prinzipien der Bibel repräsentiert, sondern den Menschen und seine Ideologie in den Vordergrund stellt.

Ähnliches beobachte ich, wenn ich sehe, wie man versucht die „Ehe für Alle“ mit biblischen (Teil-)Aussagen zu rechtfertigen. Ein prominentes Beispiel dafür ist 1. Johannesbrief 4, 7-8: „ … denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren … denn Gott ist Liebe.“ Wenn sich also zwei Menschen lieben, unabhängig von ihrem Geschlecht, dann müsse es von Gott kommen, denn schließlich sei Gott Liebe. Und schon haben wir, ganz im Sinne einer mathematischen Gleichung, die Positionen umgedreht und machen aus „Gott ist Liebe“ „Liebe ist Gott“. Jesus dagegen sagt: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“ Johannes 14, 15

 

Wir sind gefragt, Licht zu sein

Wie sollen wir auf das sich verändernde Umfeld reagieren? Mit seinem Wort gibt uns Gott eine feste und klare Orientierungsbasis. Ausgehend von meinem Verständnis von der Schöpfungsordnung kann ich die gerade stattfindende Werteverschiebung nicht unterstützen. Auch muss ich kein Prophet sein, um zu behaupten, dass dies nicht die letzte Entwicklung in diese Richtung war. Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu respektieren, zu achten und mit ihnen liebevoll umzugehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns an die Gesellschaft anpassen, sondern vielmehr, dass wir uns unserem Auftrag widmen. Dabei geht es nicht um einen Rückzug aus der Gesellschaft, sondern um ein mutiges Auftreten in dem mir von Gott gegebenem Einflussbereich. Auch hier gilt: anstatt zu Richtern und Kritikern zu werden, sollen wir Licht und Vorbild sein. Da wir dazu gerufen sind Licht zu sein, lasst uns dieses Licht nicht unter den Eimer stellen, sondern aus dem Eimer heraustreten (Matthäus 5, 15).

 

Nicht um- sondern neugestalten

Da, wo wir Menschen das Erlösungswerk Jesu nahebringen, da wird das Leben der Menschen neugestaltet. So ist unsere Aufgabe weder das Bekämpfen von Wertesystemen, noch das Bestätigen dieser, sondern das persönliche Präsentieren des biblischen Wertesystems. Die Predigt des Evangeliums, sei es durch Wort oder Tat, ruft die Menschen dazu auf, ihr altes Leben nicht nur loszulassen, sondern ziehen zu lassen. Es geht nicht darum, das alte Leben zu verändern, sondern ein neues Leben zu empfangen – ein Leben nach den Prinzipien des Wortes Gottes. Auf diese Weise werden Menschen dazu eingeladen, die Bibel nicht durch die Brille der Gesellschaft zu lesen. Und das gilt nicht nur für die „Ehe für Alle“.

 

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[1] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 52, ausgegeben zu Bonn am 28. Juli 2017

[2] Gesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache 18/6665 vom 11.11.2015, A

[3] Gesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache 18/6665 vom 11.11.2015, B

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