Stellungnahme zur Diskussion um die „Ehe für alle“

von Johannes Justus

Der Wandel ist die große Konstante unserer Zeit. Gesellschaftliche Ansichten, Ideale und Werte ändern sich rasant. Oftmals mag das sinnvoll sein, aber bestimmt nicht immer. Als Menschen brauchen wir unbedingt auch langlebige Werte, die uns durch die Herausforderungen des Lebens hindurch navigieren. Ich beobachte, dass sich zunehmend mehr Menschen in dem Labyrinth der Meinungsvielfalt verirren. Sie sehnen sich nach Orientierung und Halt.

Inmitten einer Zeit von Orientierungslosigkeit betet der Psalmist : „Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg“ (Psalm 119,105). Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zu der Überzeugung, dass seine und unsere Werte in feststehenden Prinzipien verankert sein müssen. Diesen Wunsch nach Orientierung durch das Wort Gottes brauchen wir heute ebenso. „Der Glaube sucht Gott selbst“,1 sagt der jüdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide. Deshalb wird der Glaubende immer bei Gott selbst ansetzen und nicht bei sich und seinen eigenen Wunschvorstellungen. Für mich gilt dieser Ansatz auch bei der Frage, ob die Institution Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden sollte.

Das Argument, dass nur durch diese Öffnung eine weitgehend rechtliche Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau erreicht werden könne, scheint mir nicht stichhaltig zu sein. Abgesehen vom Adoptionsrecht erkenne ich nur noch geringfügige und wenig relevante juristische Unterschiede. Vielmehr scheint es um den Versuch zu gehen, den Begriff der Ehe, der geschichtlich und kulturell in Europa seit jeher für die exklusive Beziehung zwischen Mann und Frau stand und steht, inhaltlich neu zu füllen. Sprache schafft Bewusstsein. Eine inhaltliche Neuinterpretation des Begriffs der Ehe würde daher das Bewusstsein für die Einzigartigkeit und Exklusivität der auf Dauer angelegten Beziehung zwischen Mann und Frau weiter aushöhlen. Doch genau in dieser Ehe sehe ich das bewährte Modell, das Zeiten, Kulturen und selbst Religionen überspannt und zu den Grundlagen der menschlichen Existenz zählt.

Auf den ersten Seiten der Bibel wird uns der Ursprung des Menschen vor Augen geführt. Gott selbst schuf den Menschen in seinem Ebenbild – und zwar als Mann und Frau. Er segnete sie mit Fruchtbarkeit und Autorität (1. Mose 1,27-28). Diese Worte sind keine Randbemerkung, sondern absolute Grundlegung. Die Beziehung zwischen Mann und Frau bildet die Schöpfungsordnung Gottes ab und ist damit eine biblisch-anthropologische Konstante, auf die eine menschliche Gesellschaft nicht verzichten kann. Hier steht nicht das Vermehrungsgebot oder der Fürsorgeauftrag im Zentrum, sondern die grundsätzliche Setzung und Segnung Gottes des Menschen, der nicht zum Selbstzweck und auch nicht zur Selbstverwirklichung geschaffen ist, sondern zur Beziehung mit Gott und zur Beziehung miteinander – und zwar so, dass die fortwährende Entwicklung des Lebens nur in der Polarität beider Geschlechter möglich ist.

Mit der Frage der „Ehe für alle“ geht auch die Frage des Adoptionsrechtes einher. Ich halte die Freiheit, sein Leben so zu führen, wie man es für richtig hält, prinzipiell für eine Errungenschaft der liberalen und offenen Gesellschaft. An Grenzen stößt die eigene Freiheit aber da, wo sie die Freiheit anderer berührt. Kinder, die zur Adoption freigegeben werden, sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft einen Rahmen setzt, der möglichst alle Aspekte einer ganzheitlichen Erziehung und Sozialisation berücksichtigt. Es muss bei der Frage der Adoption zuallererst um das bestmögliche Wohl des Kindes gehen und nicht um den Wunsch adoptionswilliger Paare. Die Suche nach Adoptiveltern, sowohl Vater als auch Mutter, halte ich daher bei der Adoption für ein angemessenes Prinzip, das nicht aufgegeben werden darf. Mann und Frau, durch die das Leben ja erst geschenkt werden kann, sind aus meiner Sicht auch für die weitere Begleitung und Entwicklung des Kindes von zentraler Notwendigkeit. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der adoptionswilligen Ehepaare die Zahl der adoptionsfähigen Kinder übersteigt, kann ich auch keinen Notstand in dieser Frage erkennen.

Ich wünsche mir ganz grundsätzlich, dass Debatten um Fragen wie diese, mit einem möglichst hohen Maß an gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geführt werden, anstatt in Polemik und hitzigen Wortgefechten. Eine pluralistische und offene Gesellschaft lebt von der Bereitschaft aller Akteure, sich in einem fairen Wettstreit der Meinungen zu begegnen. Dafür will ich mich einsetzen. Zugleich will ich mich dafür stark machen, dass Christen zu allen Zeiten den Mut haben, zu Gottes Prinzipien zu stehen und in ihnen fest verankert zu sein.


1 Pinchas Lapide: „Mit einem Juden die Bibel lesen“ (S. 20)

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