Ich sage: ja. Meistens denken wir, dass jedes Gebet eine gute Sache ist, aber wenn ich das Wort Gottes studiere, sehe ich, dass bestimmte Gebete einem Menschen schaden können und sogar Gottes Zorn erregen können (z.B. Jesaja 45,9). Das Problem bei falschen Gebeten ist, dass man sich Gott widersetzt oder in Streit mit ihm gerät. Was löst solche Reaktionen in Glaubenden aus oder führt zu so etwas wie Streit mit Gott?
Ein Beispiel aus dem Alten Testament
Als das Volk Israel zum ersten Mal den Bericht der Kundschafter hörte, die das von Gott verheißene Land erkunden sollten, waren alle begeistert. Aber als die Kundschafter begannen, ihre eigenen Meinungen zu äußern und Schlüsse daraus zu ziehen, vor allem darüber, dass es ihnen nicht gelingen würde, die Städte in Besitz zu nehmen, geriet das Volk in Verzweiflung. Ihr fleischlicher Verstand, der nicht in der Lage war, sich dem Plan Gottes zu unterwerfen, begann unruhig zu werden auf der Suche nach einer Antwort, die „mehr Sinn“ machte. Wie Lava in einem aktiven Vulkan kam Bitterkeit schließlich an die Oberfläche. Josua und Kaleb ermahnten das Volk, sich nicht gegen Gott aufzulehnen (Num 14,9f). Doch statt darauf zu hören, wollte das Volk Steine auf die Kundschafter werfen, um diese Stimme Gottes für immer zum Schweigen zu bringen. In geradezu rebellischer Weise nahm das Volk die Dinge selbst in die Hand und suchte einen Ausweg aus der scheinbaren „Falle“, in die Gott es geführt hatte. Doch Gottes Antwort darauf war sein Zorn (Num 14,27f).
Schwere Zeiten sollten nicht zur Verhärtung führen
In seinem ersten Brief an die Korinther betont der Apostel Paulus, dass jeder Jude, der aus Ägypten ausgezogen ist, die Herrlichkeit Gottes erfahren hat. Dennoch sind nicht viele von ihnen von Gott begünstigt worden (1. Korinther 10). Das liegt daran, dass es Menschen gibt (leider sind sie immer in der Mehrheit), die sich in schwierigen Zeiten erlauben, zu murren und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen.
„Murrt auch nicht, wie etliche von ihnen murrten und wurden umgebracht durch den Verderber.“ (1 Kor 10,10)
Erschwerend kommt hinzu, dass wir als Gläubige wissen, dass Gott Einfluss auf unsere Umstände nehmen kann oder sogar nimmt. Diese Tatsache ist für uns in erster Linie ärgerlich. Ein säkularer Mensch kann andere für seine Probleme verantwortlich machen, aber nicht Gott. Ein gläubiger Mensch hingegen richtet seine Empörung auf die eine oder andere Weise gegen Gott.
Gott lässt sich nicht manipulieren
In Numeri 11 erfahren wir, dass Gott Israels laut geäußerten Zorn als persönliche Zurechtweisung verstand.
Auch wenn wir das Neue Testament betrachten, stellen wir fest, dass jedes Gebet, das nicht darauf abzielt, Gott zu suchen und sich vor seinem Willen zu demütigen, sondern das darauf abzielt, Gottes Macht auszunutzen, um unsere Wünsche zu erfüllen, ein destruktives Gebet ist. Wenn der Mensch sich anstrengt und versucht, Gott zu seinen Gunsten zu beeinflussen, ist er auf dem Weg zur Enttäuschung, denn Gott lässt sich nicht manipulieren. Nur „Heiden“ beten so (Mt 6,7). Jesus Christus sagte dazu
„Darum seid nicht wie sie. Denn euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet“ (Mt 6,8).
Sein Wille geschehe
Ein aufrichtiger Gläubiger strebt das Gegenteil an; er strebt nach dem, was Gott gefällt. Selbst wenn er ihn um etwas Persönliches bittet, fügt der wahre Gläubige immer hinzu: „… wenn es der Wille des Herrn ist…“ (Jak 4,15). Ähnlich betete Mose in Ex 33,13.
Ein anderes positives Beispiel ist David. Aufgrund unbegründeter Verdächtigungen wurde er in seiner Jugend gejagt und musste sich vor König Saul und seinem Heer verstecken. David hätte hundertmal beleidigt oder nachtragend gegenüber Menschen und Gott sein können, aber seine Gebete enthalten nicht die Spur eines Vorwurfs an den Herrn. Er war nicht da, als David unter großen Schwierigkeiten von Saul nach Gath floh, das zufällig die Heimat Goliaths war. Derselbe Goliath, den David einige Jahre zuvor im Zweikampf getötet hatte. Die Menschen auf dem Hof von Achisch (König von Gath) erkannten die vertrauten Gesichtszüge des jungen Mannes, der ihren Helden besiegt hatte. Als David seine missliche Lage erkannte, musste er sich als Verrückter ausgeben, um am Leben zu bleiben.
Gott war auch nicht da, als sich David nach seiner Flucht vor dem König von Achisch in einer Höhle verstecken musste. Dennoch hat David Gott nie angeklagt. Er sagte nie: „Warum, Herr, hast du mich vor meinen Freunden und Feinden in den Abgrund der Erniedrigung gestürzt?“
Das Gute sowie das Schlechte annehmen
Überraschenderweise war David in einem ganz anderen Gemütszustand: Einer seiner Psalmen, der sich auf diese Zeit bezieht, ist Psalm 34, in dem wir nur von seinem überschwänglichen Lob Gottes lesen. David war in der Lage, das ganze Leben aus Gottes Hand zu nehmen, das Gute wie das Böse.
Der russische Dichter Boris Pasternak schrieb einmal über das Berühmtsein:
„Die Andern werden deine Spur fast Zoll um Zoll befragen, doch achte nicht den Unterschied von Sieg und Niederlage.“
Genau so sollten wir unseren Lebensweg mit Gott betrachten. Nicht alles, was wir als Niederlage oder Ausweglosigkeit empfinden, ist es am Ende auch. Gott hat manchmal einfach andere Pläne als wir, und die dürfen wir annehmen und aus seiner Hand nehmen, statt unsere eigenen Vorstellungen durchzusetzen.
Fazit
Man kann falsch beten. Jedes Gebet, das nicht darauf abzielt, Gott wirklich zu suchen und sich vor seinem Willen zu demütigen, sondern darauf, Gottes Wege in Frage zu stellen, um unsere Wünsche zu erfüllen, ist ein destruktives Gebet.
Aleksandr Shevchenko