Durch die geistgewirkten Heilungsgaben hat Gott einen Weg geschaffen, wie kranke Menschen gesund werden können. Das heißt aber nicht, dass dies der einzige und immer bevorzugte Weg ist.
Krankheit ist facettenreich – sowohl von ihrer Ursache her als auch in ihrer Auswirkung. Die Hauptursache von Krankheit ist wohl einfach die Tatsache, dass wir aufgrund des Sündenfalls in einer gefallenen und angefochtenen Welt leben. Auch persönliche Versündigung und Fehlverhalten können zu Krankheit führen (Jakobus 5,15). Die Begebenheit mit dem Blinden in Johannes 9,1-3 macht uns aber deutlich, dass wir keine vorschnellen Urteile fällen sollten. Auf die Frage der Jünger, ob die Krankheit auf die Sünde des Blinden oder auf die Sünde seiner Eltern zurückgehe, sagte Jesus: „Weder noch. Die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.“
Dass Krankheit vielschichtig ist, wird auch durch die unterschiedlichen biblischen Begriffe deutlich. Beispielsweise bezeichnet das griechische Wort astheneia Krankheit, Schwäche und Kraftlosigkeit verschiedenster Art und kann auch die Bedeutung von Vergänglichkeit haben (Lukas 5,15; Apostelgeschichte 19,12; 1. Korinther 15,43). Auch nosos wird häufig verwendet und beschreibt wahrscheinlich am ehesten eine durch einen Krankheitserreger ausgelöste körperliche Krankheit (Matthäus 9,35; Markus 1,34). Das Wort malakia steht für Schwäche und Gebrechen (z.B. Matthäus 4,23), während das Wort kamnoun vor allem die seelische Ermüdung und Mattheit bezeichnen kann (Jakobus 5,15). So wie Krankheit vielfältig ist, sind auch die Wege zur Heilung vielfältig.
Vor 19 Jahren erlebte meine Frau Irene einen sowohl körperlichen als auch seelischen Zusammenbruch und geriet in eine Erschöpfungsdepression. Wir haben sofort den Herrn gesucht und um Heilung gefleht. Freunde und Glaubensgeschwister haben sich mit uns eins gemacht. Ich habe mich danach gesehnt, dass Gott durch eine Gabe der Heilung eingreift. Doch schließlich mussten wir uns eingestehen, dass man nicht einfach alles „wegbeten“ kann. Oftmals kommt Heilung erst durch viele sich ergänzende Methoden und Wege zustande. So musste Irene ihren Lebensrhythmus umstellen, ihre Gewohnheiten verändern und ihre Ernährung anpassen. Sie musste es lernen, zu Dingen NEIN zu sagen und sich rechtzeitig Grenzen zu setzen. Sie hat eine Kur gemacht, auf medizinische Hilfe zurückgegriffen, den Rat von Ärzten befolgt und Medikamente genommen. All diese Dinge haben dazu geführt, dass Irene einen Weg der Gesundung gehen konnte. Wie oft habe ich mir in dieser Zeit eine Spontanheilung gewünscht. Aber stattdessen wurde ich erinnert an den Bibelabschnitt aus Prediger 12, wo das Alt- und Schwachwerden beklagt wird. Ich musste intensiv lernen, dass all unsere Kraft, Erkenntnis und Wissen nichts als Stückwerk ist. Letztendlich sind wir abhängig von Gott, der durch seinen Geist so wirkt wie er es will.
Ein ganz wesentlicher Aspekt war außerdem, dass wir so viel geistliche und praktische Unterstützung von anderen Menschen bekommen haben wie nie zuvor. Beispielsweise kam eine Dame aus der Gemeinde regelmäßig vorbei, um uns im Haushalt zu helfen. Als meine Frau sagte: „Meine Seele singt nicht mehr. Mein Körper kann nicht mehr. Mein Glaube will nicht mehr.“, da sagten andere: „Wir singen jetzt für dich. Wir arbeiten jetzt für dich. Wir glauben jetzt für dich.“ Ich bin überzeugt, dass der Weg des Zusammenhalts und der Gemeinschaft ein unterschätzter Heilungsweg ist (1. Korinther 12,26; Galater 6,2). Oftmals sind Menschen der verlängerte Heilungsarm Gottes.
Aus meiner Sicht sollten wir uns viel mehr ausstrecken nach den geistlichen Gaben. Ich wünschte mir auch, dass die Gaben der Heilungen viel öfter in unseren Gemeinden zum Zug kommen. Doch ich weiß auch, dass wir durch eine einseitige Betonung auf diese Gaben in Schieflage geraten können. Deshalb dürfen wir die vielen unterschiedlichen Heilungswege in den Blick nehmen, die wir in der Bibel vorfinden: Sündenvergebung, persönliche Fürbitte, Speisevorschriften, Ärzte, Ältestengebet mit Ölsalbung, Abendmahl, Wort Gottes, Glaubensgebet, Wunderkräfte, etc. Bei allem gilt, dass wir Gott nicht durch Methodengläubigkeit zu beeindrucken versuchen. Wir haben keinen Leistungsglauben, sondern einen Beziehungsglauben.