Die Gabe des Glaubens (Teil 1)

von Johannes Justus

Bevor wir die Gabe des Glaubens konkret anschauen, möchte ich in einer kleinen Studie aufzeigen, in welchen Facetten die Bibel vom Glauben spricht. Dies ist wichtig für das weitere Verständnis.

Das Hauptwort für Glaube ist im Alten Testament das hebräische aman.[1] Wörtlich bedeutet es „sich festmachen“.[2] Ich muss dabei an einen Bergsteiger denken, der sich mit dem Karabinerhacken festmacht. Damit ist er gesichert, auch wenn er mal ausrutschen oder fallen sollte. Im Neuen Testament ist der Hauptbegriff für Glaube das griechische Wort pistis. Es hat die Grundbedeutung „Vertrauen“. In erster Linie ist also an Beziehung gedacht, nicht an Erkenntnis. Dennoch betrifft Glaube im klassischen Griechisch auch den Intellekt. Es sind beide Aspekte betont: Sowohl das eher emotionale Vertrauen als auch das eher rationale Für-wahr-Halten.[3]

Ich halte fest, dass Glaube in der Bibel eine Haltung des Vertrauens Gott gegenüber meint. Glaube beschreibt die Beziehung eines Menschen zu Gott, die sowohl auf Vertrauen als auch auf Nachdenken gegründet ist. Der Glaube gibt Stabilität, weil er sich an Gott und seinem Wort festmacht. Dieser Glaube entfaltet sich nun im Neuen Testament anhand von drei Facetten, wobei der Heilige Geist immer eine entscheidende Rolle spielt:

1. Der Glaube als Überführung des Heiligen Geistes

Durch das Hören des Wortes Gottes kann jemand gläubig werden.[4] Wer der auf Christi Tod und Auferstehung gegründeten Heilsbotschaft vertraut, der empfängt sowohl die Vergebung der Sünden als auch die Verheißung des ewigen Lebens.[5] Dieser Glaube ist der Glaube, der rettet. Der Mensch leistet hier nichts, sondern nimmt Geleistetes an.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieses Geschehen ein Werk des Heiligen Geistes ist. Denn der Heilige Geist bevollmächtigt den Prediger, offenbart den Inhalt der Predigt, überführt den Hörer von Sünde, Gerechtigkeit und Gericht, und nimmt schließlich Wohnung im Glaubenden.[6]

2. Der Glaube als Frucht des Heiligen Geistes

Die Bibel spricht aber nicht nur vom Gläubigwerden, sondern auch vom Gläubigsein. Ob ein Glaube lebendig ist, zeigt sich nicht nur in Worten, sondern vor allem an Taten.[7] Glaube ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Lebenswandel. Ich erinnere mich an meine Einberufung in die russische Luftwaffe. Der Major sagte zu mir: „Herr Justus, ich habe schon einige kennengelernt, die von ihrem christlichen Glauben reden. Ich werde beobachten, ob Sie wirklich danach handeln.“

Ich bin überzeugt davon, dass sich echter Glaube immer sichtbar auswirken wird. Aber bemerkenswert ist auch hier, dass dies nicht aus eigener Anstrengung geschehen soll, sondern aus der Kraft des Heiligen Geistes.[8] Einen Baum könnte man natürlich auch an dem Rascheln seiner Blätter erkennen, aber noch besser erkennt man ihn an seiner Frucht. So ist der sichtbare Glaube im Leben eines Christen eine Frucht des Heiligen Geistes.[9] Nach meiner Beobachtung sind manche Christen ziemlich stark im Bekennen ihres Glaubens, aber eher schwach im Praktizieren ihres Glaubens. Doch der Glaube will praktisch werden. Er will uns prägen, korrigieren, verändern, motivieren, entwickeln, usw.

3. Der Glaube als Charisma des Heiligen Geistes

Schließlich finden wir in der Bibel den Glauben als Charisma des Heiligen Geistes.[10] Wie bei den anderen Geistesgaben, so kennzeichnet auch diese Gabe, dass sie punktuell und situativ durch den Heiligen Geist gewirkt wird. Und erneut ist bemerkenswert, dass auch dieser Glaube menschlich nicht machbar ist. Der Heilige Geist muss ihn bewirken. Dieser Glaube hat schon in der Größe eines Senfkorns die Kraft, Berge zu versetzen.[11]

Wenn wir uns im Weiteren genauer mit der Gabe des Glaubens beschäftigen werden, dann ist es für das Verständnis wichtig, die drei genannten Facetten des biblischen Glaubens voneinander zu unterscheiden. Außerdem müssen wir wahrnehmen, wie auffällig die Rolle des Heiligen Geistes beim Glauben ist. Wer an Jesus glaubt, kann gar nicht ohne den Heiligen Geist leben. Glaube und die wirksame Kraft des Heiligen Geistes gehören untrennbar zusammen.

 

 

[1] Davon kommt auch das Wort Amen, das so viel bedeutet wie „Es steht fest!“ oder „So ist es!“.

[2] Z.B. heißt es in 1. Mose 15,6: „Abram glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“ Man könnte hier auch übersetzen: „Abram machte sich fest im Herrn…“ Weitere zentrale Stellen aus dem AT: 2. Mose 4,1-9; 2. Chronik 20,20; Psalm 13,6; Sprüche 16,20; Jesaja 28,16; Habakuk 2,4

[3] Die Predigt des Evangeliums darf deshalb beides ansprechen: Gefühle und Verstand.

[4] siehe z.B. Römer 10,17; 1. Korinther 15,2+11; Epheser 1,13; 1. Thessalonicher 2,13

[5] siehe z.B. Johannes 3,16-18; Römer 1,17; 6,8; 10,9; 1. Korinther 15,3-17; Epheser 2,8+9; 1. Petrus 1,9

[6] siehe z.B. 1. Korinther 1,18-25; 2,1-5; Johannes 16,14; 1. Korinther 2,6-16; Epheser 1,17; 2,5-10; Johannes 16,8; 1. Korinther 14,24+25; Johannes 7,39; Römer 8,9.15+16; 2. Korinther 3,3; Galater 3,2; 4,6

[7] Titus 3,8; Jakobus 1,22; 2,17

[8] siehe z.B. Apostelgeschichte 1,8; Römer 8,11-17; 15,13; 2. Korinther 1,21+22; 5,5; Galater 5,5; Epheser 3,16; 4,30; Judas 20+21

[9] siehe Galater 5,5. Hier wird das griechische Wort pistis meistens mit „Treue“ übersetzt. Denn Treue ist gelebtes Vertrauen.

[10] siehe 1. Korinther 12,9

[11] siehe z.B. 1. Korinther 13,2; Matthäus 17,20; Markus 11,23; Lukas 17,6

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