Weisheit und Erkenntnis sind in der biblischen Sprache „ein Paar Schuhe“. Nicht zufällig zählt Paulus bei seiner Auflistung der Geistesgaben das Wort der Erkenntnis unmittelbar nach dem Wort der Weisheit auf.
„Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist…“
1. Korinther 12,8
Drei Beobachtungen zu diesem Vers möchte ich herausstellen:
1. Stückweise Erkenntnis
Es heißt hier nicht „Gabe der Erkenntnis“, so als würde jemand permanent und allumfassend über Erkenntnis verfügen, sondern es ist die „Gabe des Wortes der Erkenntnis“. Dies zeigt wieder das Punktuelle der Geistesgaben an: In einer konkreten Situation empfängt jemand durch geistliche Inspiration ein Wort der Erkenntnis. Dies ist ein minimaler Bruchteil, nicht aber die Fülle gottgegebener Erkenntnis – ähnlich wie eine einzelne Perle nur ein kleiner Teil, nicht aber die ganze Perlenkette ist. Erkenntnis ist immer Stückwerk (1. Korinther 13,9): Diese Einsicht lehrt uns Bescheidenheit im Blick auf uns selbst und Verständnis im Blick auf andere.
2. Geistgegebene Erkenntnis
Es geht bei dem Wort der Erkenntnis nicht um intellektuelles Wissen, das sich jemand durch Fleiß und Studium angehäuft hat. Es geht um geistgegebene Erkenntnis. Der Heilige Geist ist also der Initiator und Offenbarer. Auf das Christus-Bekenntnis von Petrus hat Jesus geantwortet: „… Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ (Matthäus 16,17). Solche Momente göttlicher Erkenntnis brauchen auch wir in unserem gemeindlichen und persönlichen Leben – gerade wenn wir dazu tendieren sollten, uns ausschließlich auf unseren Verstand zu verlassen. Andererseits gilt: Worte der Erkenntnis ersetzen niemals das gründliche Bibelstudium. Auch darin dürfen unsere Disziplin und Leidenschaft zunehmen. Deshalb: Nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“. Wir brauchen beides. Wenn der Heilige Geist der große „Erinnerer“ an das Wort Gottes ist (Johannes 14,26), dann muss auch etwas vorhanden sein, an das er erinnern kann.
3. Erkenntnis, die das Wort bestätigt
Bei dem Wort der Weisheit hieß es „durch den Geist“ (dia tou pneumatos); jetzt heißt es „nach demselben Geist“ (kata to auto pneuma). Dieser Unterschied ist klein, aber fein: Das Wort der Erkenntnis erfolgt nach der Norm bzw. gemäß der Linie des Heiligen Geistes. Deshalb wird ein Wort der Erkenntnis immer die vom Heiligen Geist inspirierte Heilige Schrift bestätigen und zum Leuchten bringen (2. Timotheus 3,16; 2. Petrus 1,21). Demnach würde ich sagen: Ein Wort der Erkenntnis ist eine tiefere Einsicht über die Bedeutung einzelner Schriftstellen. Es aktualisiert das Wort Gottes, zeigt Zusammenhänge auf und macht Inhalte neu bewusst.
Vom Erkennen zum Anwenden
Erkenntnis und Weisheit müssen zusammenkommen. Gemeinsam bilden sie das „Paar Schuhe“, das man für den weiteren Weg benötigt. Bloße Erkenntnis nützt wenig, wenn sie nicht in die Anwendung führt. An manchen Stellen meiner Pastorenlaufbahn hat mir der Heilige Geist offenbart, dass ich nicht mehr von meiner Berufung geleitet wurde, sondern von den Nöten, die ich gesehen habe. Ich war aber nicht in der Lage, allen Nöten zu begegnen. So stand ich mehrmals vor der Herausforderung, etwas aus dieser Erkenntnis zu machen. Um die Lage zu durchblicken, brauchte ich Erkenntnis, aber um die Lage zu verändern, brauchte ich Weisheit. Wie gut, dass der in mir wohnende Geist Gottes beides bewirken möchte!
„O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! …“
Römer 11,33